Interprofessionelle Grundversorgung an der Schnittstelle Selbstzahler – KVG in der Akutmedizin
Beim zweiten Block geht es in die praktische Umsetzung: Moderatorin Dr. Tania Weng-Bornholt präsentiert dem Publikum interprofessionelle Lösungen, die den Patienten schon heute zur Verfügung stehen, wenn sie von plötzlicher Krankheit oder einem Unfall betroffen sind. Dr. Michael Deppeler, Co-Leiter dialog-gesundheit, zeigt am Beispiel der Kooperation Xunds Grauholz auf, wie Patientenmeinungen dabei erfolgreich mit einbezogen werden können. Das Angebot von santé24, nähergebracht durch Dr. Oliver Reich, will mit telefonischer Beratung einem Kundenbedürfnis gerecht werden, ohne Realkonsultationen zu substituieren.
Dr. Michael Willer, CEO der Sympany, beleuchtet am gemeinsam mit TopPharm entwickelten Modell Casamed pharm, wie auch Versicherer verstärkt auf interdisziplinäre Zusammenarbeit setzen können. Dr. Christine Bourquin lebt Interprofessionalität in ihrem unmittelbaren Arbeitsalltag: Durch die Zusammenarbeit ihrer Apotheke in Aarberg mit einer örtlichen Kinderarztpraxis. Dadurch werden die Ärzte entlastet und den Kunden steht eine echte Alternative zum Notfallbesuch zur Verfügung. Und schliesslich stellt Dr. Andy Fischer, der CEO von Medgate, die MiniClinic vor. Von Ärzten und Apothekern gemeinsam entwickelt, bietet sie durch ihre Integration in eine Apotheke eine niederschwellige Möglichkeit, um medizinische Untersuchungen vornehmen zu lassen.
Bei der anschliessenden Podiumsdiskussion kommt auch die Keynote-Speakerin Sara Stalder nochmals zu Wort und lobt die unterschiedlichen Ansätze zur Vernetzung, die hier gezeigt wurden. Aus ihrer Sicht sind das gute Nachrichten für die Konsumenten.
Überblick der Referenten & Downloads
Dr. Tania Weng-Bornholt Leiterin Abteilung Netzwerke TopPharm Genossenschaft |
«Das war ein gelungener und stimmiger Netzwerk-Event. Ich habe mich heute mit Ärzten, Industriepartnern, Versicherungen und Apothekern unterhalten können. Das breite Spektrum der Referenten und des Publikums ist sehr bereichernd.» |
Sara Stalder Geschäftsleiterin Stiftung für Konsumentenschutz |
«Ich bin überrascht, dass so viele Leistungserbringer hier vor Ort sind und finde es sehr schön zu sehen, dass das Interesse an einer Zusammenarbeit endlich vorherrscht.» | b_2_pp_stalder_netzwerkevent2017 | |
Referat Sara Stalder, Geschäftsleiterin Stiftung für Konsumentenschutz «Einführung und Sicht des Kunden – Was will der Kunde im Akutfall?»Im Einführungs-Referat zum 2. Block liegt der Fokus auf den Bedürfnissen der Patienten, wenn sie plötzlich und unerwartet medizinische Versorgung benötigen. Und wer könnte dazu besser Auskunft geben als Sara Stalder, die in ihrer Funktion als Geschäftsleiterin der Stiftung Konsumentenschutz tagtäglich mit solchen Fragen konfrontiert ist? Sie richtet den Blick des Publikums auf diverse Statistiken, aus denen klar hervorgeht, dass die Haushalte in der Schweiz über immer weniger Pflegemöglichkeiten zu Hause verfügen und die meisten Betroffenen daher auf externe Hilfe angewiesen sind.Dabei ist es für sie von grosser Bedeutung, Anlaufstellen zu kennen und diese gut erreichen zu können. Zudem erwarten die Patienten, dass ihre Betreuung umgehend angegangen wird, dass die medizinische Erstversorgung Besserung oder Linderung bringt und dass das durchaus vorhandene Ungleichgewicht in punkto Fachwissen von Ärzten nicht ausgenutzt wird.Zusätzlich dazu präsentiert Sara Stalder folgende Wunschliste aus Patientensicht: Mehr Transparenz bei den Rechnungen, bei der medizinischen Versorgung und bei der Zusammenarbeit von Ärzten mit Pharmakonzernen, obligatorische Administration mittels eHealth, bessere Qualitäts- und Ausgabensteuerung sowie die Schaffung von niederschwelligen Anlaufstellen für Akutfälle. |
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Dr. med. Michael Deppeler Co-Leiter dialog-gesundheit |
«Das diesjährige Thema ist treffend gewählt und ich sehe diesen Austausch heute als Ermutigung zur Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Gruppierungen. Ich freue mich auf den weiteren Austausch heute.» | b_2_pp_deppeler_netzwerkevent2017 | |
Das Ziel der Organisation xunds grauholz ist es, den vergessenen Patienten eine Stimme zu geben. Wichtige Schlagworte: Interprofessionalität und Partizipation der Bevölkerung. Michael Deppeler möchte eigentlich eine Genossenschaft gründen – Profis und Bevölkerung zusammenbringen. Es seien vor allem die Beziehung und das Vertrauen, die ein solches Projekt steuern. Und das funktioniere nur auf regionaler Ebene. Krankheitsorientiertes Denken sollte autogenem Denken entgegengesetzt werden. Gearbeitet wird im Dialog, in Arbeitsgruppen, sie entstehen immer auf Initiativen von einzelnen Personen in der Region – immer interprofessionell.
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Dr. Oliver Reich Leiter Santé24 SWICA Gesundheitsorganisation |
«Der Netzwerk-Event ist für uns ein wichtiges Event mit einem wichtigen Partner. Ich finde den Tag heute sehr gut organisiert und freue mich über die interessanten Themen sowie die Möglichkeit, mit spannenden Teilnehmern zu networken.» | b_2_pp_reich_netzwerkevent2017 | |
Leistungserbringung aus Sicht einer Krankenversicherungsorganisation. Wie sieht Nachfrage überhaupt aus? 938’000 Grundversorgungskonsultationen pro Monat in der Schweiz. Das ergebe pro Arzt sieben Patienten pro Tag. Problematik: Der Altersschnitt unter den Hausärzten ist hoch. Aufgrund der demografischen Entwicklung und einer erhöhten Mobilität werde gerade in ländlichen Gebieten schon bald ein noch grösserer Hausärztemangel bestehen. Dem könne nur durch Interprofessionalität begegnet werden. Ziel Nummer 1 müsse es sein, für den Patienten eine qualitativ hochwertige Versorgung zu ermöglichen.
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Dr. Michael Willer CEO Sympany |
«Hier ist ein sehr entspanntes Setting vorhanden und es wird zu relevanten Themen gesprochen. Die Plattform finde ich gelungen und es ist eine gute Gelegenheit, verschiedene Akteure zusammenzubringen.» | b_2_pp_willer_netzwerkevent2017 | |
Michael Willer stellt das neue Versicherungsmodell Casamed pharm vor, das gemeinsam mit TopPharm entwickelt wurde. Er geht der Frage nach: Was will der Kunde im Akutfall? Einen einfachen und schnellen Zugang zu medizinischer Versorgung. Der Zugang ist aber oft zu teuer (zu viele Bagatellfälle). Er stellt das neue Versicherungsmodell vor, interprofessionelle Zusammenarbeit ist wesentlicher Bestandteil des Angebots. Es ist kein Ersatz zum klassischen Hausarztmodell, sondern eine Alternative. Das Modell ist gut aufgenommen worden, das Angebot müsse ausgeweitet werden. |
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Dr. pharm. Christine Bourquin Inhaberin TopPharm Apotheke Aarberg AG |
«Ich schätze den Netzwerk-Event sehr und denke, das ist für uns Apotheker ein besonders wichtiger Anlass. Ich finde schön, dass so unglaublich viele Teilnehmer sich aus dem Arbeitsalltag lösen konnten und hier vor Ort sind. Auch dieses Jahr ist ein wunderbares Ambiente anzutreffen.» | b_2_pp_bourquin_netzwerkevent2017 | |
Die Seeländerin berichtet über die Zusammenarbeit ihrer Apotheke mit einer Kinderarztpraxis. Im bernischen Aarberg sei medizinische Grundversorgung nicht optimal. Ihre Apotheke engagiert sich deshalb schon lange im Bereich netCare. Dann erzählt sie ein Beispiel aus der Apotheke: Das Kind einer jungen Mutter hatte Halsweh, sie habe nach einem Abstrich ein Antibiotikum empfohlen. Danach habe sie gemeinsam mit der Mutter beim Kinderarzt angerufen, Ein Termin wurde für den nächsten Tag vereinbart. Der Praxisleiter hat sich gefreut, dass die Apotheke aktiv geworden ist und strebte eine Zusammenarbeit an. Gemeinsam wurde ein Leitfaden für die Behandlung von Kindern entwickelt.
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Dr. med. Andy Fischer CEO Medgate |
«Hier herrscht heute eine extrem gute und entspannte Grundstimmung. Das Event ist äussert gut organisiert und bietet gute Möglichkeiten zum Networken.» | b_2_pp_fischer_netzwerkevent2017 | |
Der gelernte Arzt stellt das Projekt MiniClinic vor. Ärzte und TopPharm Apotheker lancierten gemeinsam ein Projekt: Kleine Untersuchungseinheiten können in der Apotheke direkt durchgeführt werden. Wie sieht interprofessionelle Arbeit darin aus? Niederschwellige Möglichkeit, medizinische Untersuchung vorzunehmen – Med. Praxisassistentin führt sie durch, Apotheker führt Triage durch, Arzt kann bei Bedarf via Video zugeschaltet werden.
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Podiumsdiskussion:
Die Diskussion ergab, dass zwar schon einiges in Sachen Interprofessionalität gemacht würde, dass dies aber noch immer viel zu wenig sei. Weil niederschwellige Anlaufstellen derart zentral seien für eine Gesundung des Gesundheitswesens, machen die vorgestellten Beispiele Mut für die Zukunft.